Yong’in, Stadt des Feuers, ein Feuer brennt tief in deinem Herzen. Dieses Feuer wird geschürt von der Hathara, Inbegriff der Weiblichkeit, verehrt und begehrt von vielen. Doch niemand würde wagen, ihr ungebeten zu nahe zu treten. Sie ist die Hohepriesterin der Liebe. Die Stadt tanzt nach ihrem Fingerzeig.
Einst regierten Männer diese Stadt, wilde Barbaren ohne Manieren. Dann gewann der Kult der Hathor immer mehr Macht – nicht durch Rangkämpfe, sondern durch die hohe Kunst der Verführung. Ein Mann, der das Glück hatte, für einige Zeit in den Tempel der Hathor berufen zu werden, kam verwandelt heraus. Oft warteten die Jungen tagelang vor dem mächtigen Portal, bis sie eingelassen wurden. Viele gaben ihr ganzes Vermögen, um in das Allerheiligste eingeführt zu werden.
Zu hohen Feiertagen zeigt sich die Hathara selbst: zeitlos schön, unmöglich ihr Alter zu schätzen. Sie mag bereits eine Greisin sein, doch wenn sie sich rhythmisch zu den Trommeln und Tamburinen bewegt, erscheint sie als junges Mädchen, voller Lust und Fruchtbarkeit. Männer und Frauen schauen ihr gebannt zu. Das sind die feurigen Nächte, in denen besonders viel Schnaps getrunken wird. Doch die Hathara beschützt die Frauen und keiner wird in einer solchen Nacht etwas zuleide getan. Im Gegenteil: Wer den Tanz der Hathara gesehen hat, fällt nicht in unbeherrschbare Wollust. Der Tanz weckt das tiefe Verlangen in den Männern, dem weiblichen Geschlecht dienlich zu sein. Dieser Tanz ist wohl das größte Geheimnis der weiblichen Magie und der Grund, warum die Hathara solche Macht in Yong’in genießt.
Ja, die Hathara ist eine Magierin, was kaum jemand bezweifeln würde, jedoch niemand zur Sprache bringt. So anders ist doch die Magie der Frau als die des Mannes! Während die großen Magier der alten Zeit ganze Berge versetzt haben, um fliegende Inseln zu erschaffen, besteht die Magie der Hathara und ihrer Priesterinnen aus Tanz, Worten und Berührung. Und doch ist diese Magie weitaus mächtiger. Seit jeher haben die Großmagier versucht, die Herzen der Menschen zu beeinflussen. Dem Kult der Hathor gelingt dies ohne Mühen. Möglich ist das, weil sie die Herzen kennen, weil sie sie spüren und verehren. Keine Priesterin würde einen Menschen für ihre eigenen Zwecke verändern wollen. Ihr Erfolg liegt darin, dass sie den Menschen helfen, ihr Herz zu öffnen und hinein zu tauchen, wodurch sie eine tiefe Kenntnis über sich und das Leben erlangen. Solch eine Erfahrung lässt die Menschen verwandelt zurück – jeden auf seine Weise.
Den Hatharen (Priesterinnen der Hathor) untersteht auch die Aufsicht über die Liebesdienste in der Stadt. Die Hetären und Lohndirnen müssen sich sämtlich im Tempel anmelden. Jede wird von den Priesterinnen unterwiesen – gegen eine entsprechende Entlohnung. Es gibt auch Huren, die diese Entlohnung scheuen oder sich nicht würdig fühlen, in den Tempel zu gehen. Diese findet man oftmals in dunklen Gassen, wo sie groben Männern zu Diensten sind. Die Hatharen bemühen sich, auch diese Frauen unter ihre Obhut zu nehmen. Doch nicht alle nehmen dieses Angebot an.
Mit billigem Liebeszauber haben die Hatharen nichts zu tun. In einer Stadt wie Yong’in wird an junge Burschen oder andere Unwissende gern das ein oder andere Elixier verkauft. Die Verkäufer, die meist mit einem Bauchladen durch die Menge gehen und rasch verschwunden sind, wenn Ärger droht, preisen ihre Tränke als Heilmittel oder eben gern auch als Liebeselixiere an. Gibt man es der Angebeteten (wissentlich oder unwissentlich), soll sie sich unsterblich in einen verlieben. Diese Mischungen bewirken im besten Fall gar nichts, im schlimmsten machen sie krank. Trotzdem werden sie gern von der Jugend gebraucht.