Auf Poetry Slams sehe ich sie recht häufig: handliche Größe, weißes Rechteck und immer die gleiche Schrift. Die Rede ist von den story.one-Büchern.
Dahinter steckt eine clevere Marketing-Strategie. Story.one zielt mit dem »Young Storyteller Award« auf junge, unerfahrene Autor*innen ab. Wer gewinnt, erhält eine Buch-Veröffentlichung – der Traum vieler, die sich fürs Schreiben begeistern.
Story.one ist dabei kein klassischer Publikumsverlag (bei dem die Veröffentlichung ein echter Gewinn wäre), sondern eigentlich ein Selfpublishing-Anbieter. Es gibt kein Lektorat, kein Korrektorat und der Buchsatz wird auch nicht überprüft – alles typisch Selfpublishing.
Im Folgenden beleuchte ich die Marketing-Strategie und zeige auf, wie story.one mit jungen Autor*innen Geld verdient. Doch zunächst müssen wir einen Begriff klären:
Was ist Selfpublishing?
Selfpublishing ermöglicht es Autor*innen, ihre Bücher über Anbieter wie Book on Demand (BOD), tredition oder Kindle Direct Publishing (KDP) zu veröffentlichen. Der Anbieter übernimmt den Vertrieb, während die Autor*innen einfach die Daten (meist als PDF) hochladen.
Im Gegensatz zu traditionellen Verlagen liegt alles in der Hand der Autor*innen. Das hat Vorteile: Keine nervige Bewerbung, vollständige Kontrolle über Inhalt und Cover und das Buch kann sofort veröffentlicht werden. Der Weg über einen traditionellen Verlag dauert oft länger – wenn die Bewerbung überhaupt gelesen wird.
Auf der anderen Seite hat die Freiheit auch Nachteile: Autor*innen müssen alles selbst erledigen: von Lektorat über Korrektorat bis hin zum Buchsatz und Coverdesign. Diese zusätzlichen Kosten und der Aufwand schrecken viele ab. So ist Selfpublishing oft weniger angesehen, weil es neben hochwertigen Werken auch einige gibt, die ohne Korrekturschleife hochgeladen werden.
Ist Selfpublishing immer kostenlos?
Jein. Eine professionelle Überarbeitung mit Lektorat und anderen Dienstleistungen kostet in der Regel zwischen 800 und 3000 € pro Veröffentlichung. Ich persönlich komme günstiger weg. (Dazu wann anders mehr)
Der reine Upload ist jedoch meist kostenlos. Einige Anbieter verlangen eine überschaubare Gebühr für den Service. Viele bieten Lektorat und Coverdesign als kostenpflichtige Zusatzleistungen an, was durchaus seriös ist.
Für jedes bestellte Exemplar musst du zahlen. Klar. Papier und Tinte kosten Geld, noch dazu die Arbeit in der Druckerei und der Versand. Der Preis pro Buch wird meist günstiger, je mehr du bestellst. Bei KDP beispielsweise liegen die Kosten pro Buch bei etwa 3-5 € (je nach Seitenzahl) inkl. Versand, wenn du 50 Exemplare bestellst.
Wenn du für dein Buch zahlst, kann das eine Falle sein
Es gibt sogenannte Druckkostenzuschussverlage (DKZV), die darauf ausgelegt sind, Autorinnen auszubeuten. Sie verlangen hohe Gebühren für den Druck deines Werks und zahlen dir erst, wenn 500 oder mehr Exemplare verkauft wurden – eine unrealistisch hohe Zahl, besonders für unbekannte Autorinnen. Solche Verlage sind definitiv unseriös.
Angeblich finanzieren die Verlage mit deinem Geld Lektorat, Korraktorat, Vertrieb und so weiter. Allerdings macht das ein klassischer Verlag auch, ohne dir einen Cent dafür abzuknüpfen. DKZV wie der Novum-Verlag nutzen die Schwierigkeit, für junge Autor*innen einen seriösen Verlag zu finden, und bieten Knebelverträge an, bei denen die Rechte am Werk abgegeben werden, während der Verlag damit Geld verdient.
Story.one schließt die Lücke
kstory.one kümmert sich um das Design des Buches, wobei alle Bücher das gleiche Layout und die gleiche Schriftart haben. Auch die Seitenzahl und die Länge der Kapitel (Stories) sind vorgegeben. Das könnte man als Vorteil gegenüber Anbietern sehen, bei denen Autor*innen das selbst übernehmen müssen.
Natürlich lockt auch der »Young Storyteller Award« als Aufwertung für den literarischen Lebenslauf. Und wer nicht gewinnt, darf trotzdem veröffentlichen. Ja, durch die enge Zusammenarbeit mit Thalia soll das Buch sogar irgendwann im stationären Buchhandel stehen können. Aber ist das realistisch?
Gutes Marketing, wenig dahinter
Story.one ist zwar kein unseriöser DKZV, doch es ist nicht so großartig, wie es auf den ersten Blick scheint. Immerhin: Alle wichtigen Informationen finden sich auf ihrer Webseite.
Viele, die ich kenne, kamen über den »Young Storyteller Award« zu story.one. Einige haben gewonnen und eine Veröffentlichung erhalten. Ihr Buch konnte online bestellt oder direkt von den Autor*innen gekauft werden. Dazu später mehr.
Für viele ist das erste eigene Buch ein ähnlich großer Schritt wie die erste Liebe. In solchen Momenten entscheiden wir oft emotional und überhören vielleicht die Warnung der guten Freundin. Am Ende haben wir den Salat – oder im Fall von story.one: Ein überteuertes Buch, das so individuell ist wie ein Burger von McDonald’s.
Wer finanziert den Wettbwerb?
Auch wenn du den »Young Storyteller Award« gewinnst, bekommst du nur ein kostenloses Buch. Weitere Exemplare kosten im Einkauf 15 € (bei Mengenrabatt) und im Verkauf 18 €. Für ein Buch mit maximal 51 Seiten ist das ein stolzer Preis.
Die Finalist*innen erhalten ein Preisgeld von 2.000-7.000 €, was zunächst gut klingt. Doch wahrscheinlich wird dieses Preisgeld durch andere Mitbewerber*innen finanziert. Schließlich hat man mit dem Wettbewerb schonmal einen ersten Kontakt. Da liegt es nahe, das Buch trotzdem da zu veröffentlichen und zur Not auch Geld dafür zu bezahlen. Dazu kommen wir gleich.
story.one profitiert jedes Jahr davon, dass hunderte Autor*innen zig Exemplare ihrer eigenen Werke bestellen. Ob die Bücher tatsächlich verkauft werden, ist fraglich. Und selbst wenn, ist die Gewinnmarge von 3 € pro Exemplar im Vergleich zu anderen Selfpublishing-Anbietern recht gering.
Die versteckten Kosten von story.one
Schon bei der Bucherstellung verlangt story.one zusätzliche Gebühren. Möchtest du das weiße Rechteck anpassen, kostet das 30 €. Dein eigenes Cover-Design hochladen? Das schlägt mit 40 € zu Buche. Fehler korrigieren? Dafür verlangt story.one 25 €.
Außerdem ist die Seitenzahl pro Kapitel auf drei begrenzt, und insgesamt können nur 12-17 Kapitel (Stories) hochgeladen werden. Diese strengen Vorgaben lassen nur sehr kurze Kurzgeschichten oder längere mit mehreren Abschnitten zu. Selbst einige Slam-Texte sind oft zu lang. Eine Erhöhung der Seitenzahl oder der Seiten pro Kapitel ist nicht möglich.
Unrealistische Versprechungen von story.one
Ein Teil der Marketing-Strategie von story.one ist das Versprechen, dass Bücher in den stationären Buchhandel, z.B. bei Thalia, gelangen können – sobald 300 Exemplare verkauft sind. Doch in Deutschland verkaufen sich die meisten Neuveröffentlichungen oft weniger als 100 Mal. Bei jährlich 60.000 bis 70.000 neuen Büchern auf dem Markt ist es ohne Influencer-Karriere schwer, sich abzuheben. Der hohe Verkaufspreis von 18 € ist eine zusätzliche Hürde.
Zudem hat story.one früher damit geworben, dass Autor*innen dort ihren Roman veröffentlichen könnten. Mittlerweile finde ich die Formulierung nicht mehr auf der Webseite. Es muss wohl jemandem aufgefallen sein, dass 51 Seiten arg kurz für einen Roman sind. Trotzdem hält sich der Gedanke, man würde dort ein »richtiges« Buch bekommen.
Fazit
Story.one verdient Geld mit jungen Autor*innen, die wenig Erfahrung auf dem Büchermarkt haben und schnell ihr erstes Buch veröffentlichen möchten. Der Young Storyteller Award dient dabei als Aufhänger. Letzlich zahlen vor allem die Autor*innen, nicht die Leser*innen wie bei einem traditionellen oder auch Selfpublishing-Verlag.
Für Autor*innen, die eine Kurzgeschichte veröffentlichen möchten und keine besonderen Ansprüche an das Coverdesign haben, könnte story.one eine einfache Lösung sein. Hier bekommt man ein ansprechend gestaltetes Buch ohne großen Aufwand, das sich gut im Regal macht.
Wer allerdings erwägt, mit dem eigenen Buch irgendwann mal Geld zu verdienen, sollte sich nach Alternativen umsehen. Ja, auch wenn es herausfordernd ist. Schließlich geht es um das eigene Werk. Und das hat meiner Ansicht nach Respekt und Aufmerksamkeit verdient.
Am Ende musst du selbst wissen, was du möchtest. Wir alle fangen irgendwo an. Wir alle haben nur 24 Stunden am Tag. Frag dich selbst, wieviel dir dein Werk wert ist. Und wenn du Unterstützung brauchst, schreib mich gerne an.
Kanntest du story.one schon? Hast du dort vielleicht sogar veröffentlich? Schreib deine Erfahrungen gern in die Kommentare. Teile diesen Beitrag gern mit Menschen, die selbst ihr erstes Buch rausbringen wollen.