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So hast du die Löwen-Geschichte noch nicht gesehen2 Min. Lesezeit

Löwe, schwarze Statue, neugieriger Blick

Wie erschaffen wir eigentlich unsere Werke? Egal, ob beim Schreiben oder Malen, in der Musik oder Bildhauerei – irgendwann begegnet einem die Geschichte von Michelangelo.

Der berühmte Künstler soll einmal gefragt worden sein:
»Sag mal, Michel… Wie haust du eigentlich einen Löwen aus Marmor?«
Und Michelangelo meinte locker: »Ganz einfach. Ich nehme mir einen Marmorblock und schlage alles weg, was nicht nach Löwe aussieht.«

Wenn du selbst kreativ bist, kennst du das Phänomen vielleicht. Es geht oft darum, all die Ideen zu reduzieren, die einem im Kopf herum schwirren. Wenn wir einen ersten Entwurf geschrieben oder gezeichnet haben, ist das noch lange nicht das Ende. Jetzt erst beginnt der Prozess des Verfeinerns, der das Kunstwerk erst zu einem solchen macht.

Zumindest habe ich die Geschichte lange Zeit so interpretiert. Nun ist mir bewusst geworden:

Es gibt noch eine weitere Ebene

Hast du dich schon einmal mit einem Bildhauer unterhalten? Ich hatte das Vergnügen, vor einigen Jahren Tom Lange im Unperfekthaus kennen zu lernen. Er hat mir etwas von der Seele eines Steins erzählt.

Bevor Tom einen neuen Marmorblock behaut, setzt er sich erst einmal längere Zeit davor und versucht, in den Stein hinein zu fühlen. Es geht darum, die Figur darin zu entdecken. Denn nicht in jedem Stein sitzt ein Löwe. Manchmal ist es ein Vogel, eine Maus oder ein abstraktes Gebilde, das herausgemeißelt werden will. Tatsächlich gibt es ja natürliche Linien im Stein, die bei falscher Handhabung durchbrechen und das ganze Werk zerstören können.

Vielleicht klingt diese Vorgehensweise etwas esoterisch. Aber ganz ähnlich erlebe ich es mit meinen Texten, Bildern oder Landkarten.

Nicht in jeder Idee steckt ein Meisterwerk

Der wichtigste Schritt wird oft in der Löwen-Geschichte ausgelassen: Michelangelo muss sich erst einmal einen passenden Marmorblock besorgen. Dann erst kann er beginnen, den Löwen freizulegen. Nimmt er minderwertigen Stein, zerbröselt er vielleicht oder bricht mitten durch. Das zu kitten kann funktionieren, sieht aber oft nicht gut aus.

Deshalb dürfen wir auch als Schreiberlinge und Künstler*innen aller Art unsere Ideen sorgfältig auswählen. Nicht in jeder steckt ein Meisterwerk. Manche sind vielleicht nette Übungen, z.B. Anti-Märchen oder Neandertal-Lyrik. Sie werden aber nie das Herz der Menschen erwärmen.

Auf der anderen Seite kann es passieren, dass uns eine unscheinbare Idee überrascht. Vielleicht ist es, als würden wir an einem Stein vorbeigehen, der plötzlich zu flüstern beginnt. Und er erzählt uns von dem Schatz, der in ihm verborgen liegt. Einen Schatz, den nur wir freilegen können. Schließlich finden wir unseren eigenen Löwen und dürfen unsere eigene kleine Legende in die Welt bringen.

Was ist deine Leidenschaft? Ich freue mich auf deinen Kommentar.

1 Gedanke zu „So hast du die Löwen-Geschichte noch nicht gesehen2 Min. Lesezeit

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