Vor einigen Wochen bat mich mein Atelier-Kollege Michael darum, ihm das Schreiben beizubringen. Ich wunderte mich. Schließlich war er lange Zeit Redakteur eines Straßenmagazins, für das ich über 6 Jahre regelmäßig Artikel verfasst hatte.
Michael konnte schreiben, allerdings bisher hauptsächlich journalistisch. Das Kreative Schreiben war für ihn Neuland.
Also setzten wir uns hin und arbeiteten einen Plan aus. Weil Michael es so genau wissen wollte, durfte ich auch nochmal intensiver über die Frage nachdenken:
Wie geht eigentlich Kreatives Schreiben?
Spätestens mit der weiterführenden Schule schreiben wir alle eher sachliche Texte. Wir müssen Gedichte und Artikel analysieren, philosophische Konzepte diskutieren und unsere Meinung in einem wohl formulierten Fazit darlegen. Für Fehler in Rechtschreibung und Grammatik bekommen wir Punkte abgezogen. Also versuchen wir, es möglichst richtig zu machen.
Kreatives Schreiben funktioniert anders. Wir können schreiben, was wir wollen: Einen Limerick über pubertierende Pickel. Eine Kurzgeschichte mit Piraten, Cowboys und Raumschiffen. Oder ein ganzes Buch über einen dementen Vampir. Wir brauchen in keiner Weise korrekt zu sein. Wir dürfen ausprobieren, herumspinnen und auf Rechtschreibregeln und guten Ton sch*****.
Vielleicht kommt dabei ein brauchbarer Text heraus. Vielleicht schreiben wir tausend Gedichte für die Schublade, wo sie jemand lange nach unserem Tod ausgräbt und eilig verbrennt. Alles okay. Denn:
Es geht nicht um den perfekten Text
Im Internet sehen wir täglich so viele Menschen, die scheinbar mühelos Kunst machen. Nur selten sehen wir den Prozess dahinter. Kreativität kommt beim Machen. Wer sich am Anfang stresst, den perfekten Text zu schreiben, wird daran scheitern – und vielleicht so frustriert sein, dass diese Person das Schreiben komplett aufgibt.
Gerade am Anfang ist es wichtig, sich Spielräume zu geben. Ich bin froh, das Schreiben in einer Zeit ohne Social Media gelernt zu haben. Es gab wenig Ablenkung und Vergleichsmöglichkeiten. Ich saß einfach zuhause und habe mir Geschichten ausgedacht. Die waren nicht alle gut. Aber ich bin drangeblieben.
Und das ist der beste Tipp, den ich Anfänger*innen geben kann: Fang einfach an. Der Rest ergibt sich dann schon. Nur wo soll man beginnen?
So viele Möglichkeiten, mit dem Schreiben anzufangen
Der beste Weg ist, dir erst einmal einen Moment der Langeweile zu schaffen. Manche Menschen schreiben lieber morgens, bevor der Alltags-Stress losgeht. Andere genießen das Schreiben am Abend, wenn alle To Dos erledigt sind. Schau da einfach, was für dich passt. Überhaupt gibt es nicht den einen richtigen Weg für alle.
Den meisten Menschen hilft es, mit einer kleinen Übung anzufangen, bevor es an den eigentlichen Text geht. Das hilft, den Kopf aus dem Alltags-Denk-Modus zu bekommen und in den kreativen Flow einzutauchen. Eine Übung, die ich empfehle, ist das 5-Minuten-Schreiben.
Übung: 5-Minuten-Schreiben
- Bereite dir einen Block und einen Stift vor.
- Stelle dir einen Timer auf 5 Minuten.
- Schreibe, solange der Timer läuft, alle Gedanken herunter.
- Korrigiere nicht, denke nicht nach, setze möglichst nicht ab.
- Wenn dir nichts einfällt, schreibe “Mir fällt nichts ein” und lass dich vom Fluss der Worte tragen.
- Auch Unsinns-Worte (“Krazufakelflupp”) und unleserliches Gekrickel sind okay.
Nach der Übung bist du einen Schritt näher dran, deinen eigentlichen Text zu schreiben. Vielleicht hattest du während der Übung schon eine Idee. Wenn nicht, kommt hier noch eine Übung für dich:
Übung: Perspektivwechsel
- Nimm dir den erstbesten Gegenstand, den du findest.
- Schreibe eine Geschichte aus seiner Perspektive.
- Du kannst z.B. den Alltag einer Haarbürste beschreiben, die philosophischen Gedanken einer Zimmerpflanze oder die vergangenen Abenteuer eines Kugelschreibers.
Auch hier geht es nicht darum, auf Anhieb eine perfekte Geschichte zu schreiben. Im besten Fall öffnest du deinen kreativen Kanal und hast am Ende einen Text, mit dem du weiter arbeiten kannst.
Noch eine Übung gefällig?
Übung: Assoziations-Liste
- Nimm dir einen Zettel und einen Stift.
- Schreibe oben das erstbeste Wort hin, das dir einfällt.
- Notiere darunter nun das erste Wort, das dir dazu wiederum einfällt.
- Ja, es muss nicht logisch sein.
- Führe die Liste solange, wie es dir Spaß macht oder das Blatt voll ist.
Am Ende der Übung hast du eine Liste voller Wörter, sozusagen deinen Geschichten-Baukasten. Kreise nun fünf Wörter ein, die du in einen Text einbauen darfst.
Und jetzt los!
Wenn dich das Schreiben packt, dann fang einfach an. Spätestens mit den Übungen oben hast du keine Ausreden mehr. Schreib mir gern in die Kommentare, wo du gerade im Schreibprozess stehst und was deine Herausforderungen sind. Vielleicht nehme ich das in einem der nächsten Artikel auf.
Bis dahin alles Liebe und viel Freude beim kreativen Schaffen!