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Jaden – ein freier Mensch

Kurz nach der Erweckung…

Jaden sah den anderen zu, die mit einem Grabestock das Fundament für die Wände aushoben, mehr auskratzten. Er schüttelte den Kopf.
„Leute, ich glaube wir machen einen Fehler.“
„Hör auf zu quatschen und pack lieber mit an!“
„Nein, ihr versteht das nicht. Ihr habt doch die Cities gesehen. Ihr habt die Reden gehört. Es ging ihnen nur noch um Macht und Geld. Und um Besitz. Das hier –“ Er deutete auf die Baustelle. „Hier beginnt es. Wir haben es in der Hand. Wir können den zukünftigen Generationen ersparen, sich gegenseitig wegen Besitz zu zerfleischen.“
Cleo kam zu ihm und legte ihm eine Hand auf die Schulter.
„Hör mal, Jaden“, sagte sie. „Ich glaube, dass du übertreibst. Willst du wirklich weiter im Wald wohnen, wo es dir nachts auf den Kopf regnet? Wir brauchen einen Unterschlupf.“
„Die Kapsel –“
„Die Kapsel ist Schrott. Wir haben rausgeholt, was wir tragen konnten. Jetzt ist es an der Zeit, nach vorne zu schauen.“
„Es wird sich wiederholen“, sagte Jaden. „Alles wird sich wiederholen.“
„Ach, komm runter.“ Cleo lachte. „Wir haben alle viel durchgemacht in den letzten Monaten. Du brauchst eine Auszeit.“ Sie stellte sich hinter ihn und begann, seine Schultern zu massieren. „Ganz schön verspannt.“ Jaden riss sich los.
„Glaubt ihr wirklich, dass wir einfach so neu anfangen können? Wir sind Outsider. Aber auch wir tragen das Programm in uns. Es ist genetisch.“
Eric kam von der Baustelle. Seine breite Brust glänzte vor Schweiß.
„Was hast du bisher für diese Gruppe getan?“, fragte er und baute sich vor Jaden auf.
Cleo versuchte, sich dazwischen zu schieben. „Lass ihn, Eric.“
„Nein, er hört mir jetzt zu“, sagte Eric und schob Cleo weg. „Seit wir hier sind, bist du nur am Jammern. Wir haben einen verdammten Atomkrieg überlebt. Wir sind hier gelandet, warum auch immer. War es Glück? Pech? Scheißegal. Wir sind am Leben. Und ich will, dass das so bleibt. Deshalb bauen wir diese Hütte. Und wir werden weitere bauen. Damit es weiter geht. Vielleicht sind wir die verdammten letzten Menschen, die es überhaupt noch gibt.“
Stille lag über der Baustelle. Alle starrten zu Eric und Jaden rüber. Eric hatte ganz ruhig gesprochen, stand aber kaum eine Armeslänge von Jaden entfernt.
„Ich versteh das alles“, sagte Jaden. „Und trotzdem warne ich euch. Lasst uns doch vernünftig sein.“
„Vernünftig?“ Eric schnaubte. „Ich will nicht eine weitere Nacht in diesem beschissenen Wald schlafen. Wir wissen nicht, was da draußen alles lauert.“
„Eric –“, sagte Cleo.
„Ich tu ihm nichts“, sagte Eric. „Aber wenn du unbedingt gefressen werden willst, Jaden, dann verpiss dich in deine Scheiß-Wildnis.“
Jaden blickte in die Runde. Vor ihm standen die Menschen, in die er so viel Hoffnung gelegt, mit denen er so viel durchgemacht hatte. Sie hatten sich so sehr verändert in den letzten Monaten. Und jetzt standen sie da. Einige schienen beschämt, andere genervt. Niemand schien Erics Vorschlag abwegig zu finden, auch wenn es vielleicht nur ein Scherz gewesen war.
„Gut, ich gehe“, sagte Jaden. „Vielleicht werde ich sterben. Aber ich sterbe als freier Mensch.“
Mit diesen Worten ging er. Und er drehte sich nicht mehr um.

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