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Garynja, der verfluchte Kontinent

Nein, es waren keine Affen. Ihre Augen blitzten zu klug zwischen den Ästen hervor. Zu ausgefeilt waren ihre Fallen. Und erst die Pfeile! Affen stellten keine Pfeile her. Nein, das hier war irgendeine wilde Menschenart. Das widersprach allen gängigen Theorien zur Traumzeit. Wenn er erst zurück in Palý Desaya wäre: Die Wissenschaft würde Augen machen!

Doch noch kämpfte er sich durch den dichten Dschungel Garynjas. Dieser verfluchte Kontinent! Er war von der Gruppe getrennt worden und die Fleischwunde an seinem Bein brannte bei jedem Schritt. Doch er durfte nicht stehen bleiben. Bald würde es dunkel werden. Und wer wusste, welche Bestien hier noch lauerten. Einmal hatte er einen Schrei gehört, der nur von einem mächtigen Drachen stammen konnte. Oder vielleicht von etwas Schlimmerem.

Da hörte er wieder dieses Rascheln. Es waren keine Blätter, nein, das war ihre Sprache. Diese Menschlinge kommunizierten über Zischlaute. Er fragte sich, ob er wissen wollte, was sie tuschelten. Doch er war sich sicher, dass es nichts Gutes bedeutete. Fraßen sie Menschen? Überhaupt musste er einer der ersten Menschen sein, auf die diese Wesen getroffen waren. Hatten sie bereits seine Kameraden verspeist? Nicht darüber nachdenken! Er schleppte sich weiter, beschleunigte seinen Schritt und biss die Zähne zusammen. Es waren nur noch einige hundert Meter bis zur Küste.
Da zischte es gleich hinter ihm und etwas biss in seine linke Wade. Verdammt! Dieser Pfeil hatte getroffen. Er schrie auf. Vögel flatterten zum Himmel. Kalter Schweiß brach ihm aus. Er rannte, sein Körper nur noch ein tauber Gegenstand, den er um jeden Preis in Bewegung halten musste. Er konnte das Meer schon hören. Irgendwo dort lagen die Boote. Dort lag sein Überleben.
Ein weiterer Pfeil flog nur knapp an seinem Ohr vorbei. Er duckte sich, rannte weiter, getrieben vom unbedingten Willen zu leben. Er dachte an seine Frau, die er schwanger zurück gelassen hatte. ‚Bevor unser Kind kommt, bin ich wieder da‘, hatte er gesagt. Er hatte sie geküsst und gelächelt. Nun rannte er voller Panik durch diesen Dschungel.

Ein Stich in die Seite lenkte ihn von seinen Gedanken ab. Plötzlich bekam er keine Luft mehr. Er hustete und schnappte wie ein Fisch an Land. Der metallene Geschmack von Blut legte sich auf seine Zunge. Doch aus irgendeinem Grund spürte er keine Schmerzen. Alles war wie in Watte eingepackt. Die Geräusche des Waldes, das Zischen dieser Menschlinge, das Rauschen des Meeres: Alles verschwand hinter einem wohlig warmen Gefühl von Geborgenheit, ja Frieden. Er fragte sich, warum er weggerannt war. Er konnte genauso gut dableiben. Ergeben ließ er sich auf den Waldboden fallen. Entfernt hörte er den dumpfen Aufprall seines Körpers, nahm kaum wahr, dass sein Bein unnatürlich vom Rest des Körpers abstand. Ja, er verschwendete keinen Gedanken mehr daran, dass er nicht mehr atmen konnte und sein Herz erst raste und dann immer langsamer zu schlagen begann.

Es war gut. Frieden hüllte ihn ein. Das letzte, was seine Augen wahrnahmen, waren diese Gesichter, die aus Holz geschnitzt zu sein schienen, mit Augen die wie Sterne funkelten. Dann wurde alles dunkel.

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